Gottesdienst aus Dapfen

"Was trägt - Worte finden Gestalt"
evangelisch
Sonntag, 10. Dezember 2006 - 9:30

Ein Gottesdienst für Hörende und Gehörlose
Aus der Ev. Martinskirche in Dapfen
Mit Pfarrer Siegfried Kühnle, Diakonin Karin Haag, Ursula Kühnle, Anita Noll, Michael Rehm, Rosa Peball, dem Stuttgarter Gebärdenchor, dem Flötisten Hans-Jürgen Hufeisen und weiteren Gästen.
 
Was trägt in der Not, wenn Worte versagen? Wer kennt nicht die Momente größter Verunsicherung und tiefster Hilflosigkeit in seinem Leben, in denen kein Wort zu trösten vermag? Dieser Gottesdienst am 2. Advent findet darauf eine Antwort aus ungewohnter Perspektive.
In Deutschland ist etwa jeder tausendste Mensch gehörlos. Vor sechs Jahren wurde die Gebärdensprache der Gehörlosen offiziell ankerannt: Die vom Deutschen unabhängige (Gebärden-)Sprache, DGS abgekürzt, ermöglicht ihnen eine so schnelle wie klare, so direkte wie erfüllende Verständigung.
 
Gehörlose wollen ihre Beziehung zu Gott und anderen Menschen leben und Gemeinschaft erfahren, wie jeder andere, auch wenn Worte versagen. Die württembergische Gehörlosenseelsorgerin Karin Haag und Gemeindepfarrer Siegfried Kühnle feiern deshalb regelmäßig Gottesdienste mit Gehörlosen in der Martinskirche in Dapfen.
Weil ein gesungener Lobpreis Herzen fröhlich stimmt und Türen aufschließt, ein Klagelied Not abzulegen hilft und Hoffnung schenkt, hat sich in Stuttgart auf Basis der DGS Württembergs einziger Kirchenchor von Gehörlosen gebildet. Er singt freilich nicht, sondern macht gebärdend sichtbar, was den „Augenmenschen“ auf der Seele brennt oder ihr Herz freudig erfüllt.
 
Die Isolation überwinden
An diesem Adventssonntag ruft der Gottesdienst von der Schwäbischen Alb den Hörenden wie den Gehörlosen zu: Gott kommt. Macht die Türen auf für ihn! In jeder Strophe dieses Liedes erscheint ein anderes Bild für diesen Anruf von außen. Erst in der fünften Strophe kommt die Antwort. Jetzt ertönt eine Stimme von innen: Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Nur von innen lässt sich die Türe öffnen. Auf einmal redet ein Mensch, der die Türe aufmacht und da ist er nicht mehr allein. Er gehört zur Gemeinschaft derer, die an Gott glauben. Er ist mit ihnen zusammen auf dem Weg.
 
Die Gemeinschaft der Gläubigen
Das genau ist die Lösung auf die brennende Frage des Anfangs: In der Not, wenn Worte versagen, trägt die Gemeinschaft der Gläubigen -  auch dann, wenn die gegenseitige Verständigung ungewohnte Wege gehen muss. An diesem 2. Advent feiern hörende und gehörlose Gemeinde in Dapfen gemeinsam einen Adventsgottesdienst, in dem Sprech- und Liedtexte synchron gebärdet und Gebärden textlich und musikalisch zugänglich gemacht werden. Der Flötist Hans-Jürgen Hufeisen improvisiert eindrücklich poetisch zu Stücken des Stuttgarter Gebärdenchors unter Leitung von Heidemarie Mezger und begleitet die Predigt musikalisch mit den adventlichen Stücken  „Tochter Zion“ und „Maria durch den Dornwald ging“. „Macht hoch die Tür“ stimmen Gemeinde, Kirchen- und Posaunenchor an, mit einem Bewegungslied zeigen Kinder die Freude, wenn Worte Gestalt finden. (fmt)